14. September 2012: Fahrt ins ‚Nirgendwo‘

Sorry, der Blog von jetzt kommt etwas spät: unser Übernachtungsort Semga liegt so auf dem Land, dass da das Leben ohne WiFi auskommt. Jetzt sitzen wir gerade in der Buswartehalle der Nachbarstadt und da sollte das Losschicken funktionieren.
Nicht ganz umsonst hatten wir unsere Unternehmung ‚aventure‘ genannt , wie sich heute am 3. Tag weisen sollte.
Gut geschlafen (ausser Hans-Uelis Rückenwirbel , der sich noch nicht so mit ondol angefreundet hat), gut gefrühstückt, gut gepackt und gut die Stromversorgung in Samsungland fotografiert (s. Foto 1) und dann gut auf unsere Dolmetscherin gewartet, die uns zum Busbahnhof im Süden der Stadt hätte bringen sollen. Und gewartet. Und gewartet. Gestern hat sie mich noch ausgelacht, als ich etwas von Sicherheitszeit gesagt hatte. Doch dann kam ihr Handy-Anruf: Wie wir geschlafen hätten, ob gut aufgestanden, gut gefrühstückt, ob wir bereit zur Weiterreise und die Sache mit dem Zoll und und und. Und ganz am Schluss, ja es sei eben etwas dumm, sie hätte verschlafen und könne uns nun nicht abholen kommen. Und dann etwa 4376 Entschuldigungen. Hans-Ueli fand nur, dann nähmen wir eben selber ein Taxi und er würde sie noch einmal anrufen, wenn er neben dem Taxifahrer sässe und sie könne diesem dann erklären, was er mit uns zu tun hätte. So taten wir und so funktionierte es wunderprächtig und wir sausten durch diese verrückte Stadt und waren frühzeitig beim Busbahnhof und lösten dank der Dolmetscherin Hilfe unsere zwei Tickets. Die Anzeigetafel (s. Foto) war für uns jedoch undurchschaubar. Plötzlich meinte Frau Sun Woo, wir könnten erst mit dem Bus um 15 Uhr statt mit dem um 12 fahren, es gäbe ein Problem. Was wir überhaupt ni ht mehr verstanden. Wieder gab es hecktische koreanische Telephonate und die englische Velstindigung wal auch nist so ohne, bis wir begriffen, das die Fahrt mit dem früheren Bus gar nicht an unseren gewünschten Übernachtungsort führte, sondern nur in die nähergelegene Stadt. Was in Europa mit dem Satz ‚Dann nehmen wir eben für den Rest ein Taxi‘ erledigt gewesen wäre, wurde zur halben Staatskrise, wieder mit 4376 Entschuldigungen und weiss nicht was und dass sie sich emotional so hätte gehen lassen. Mit einer koreanischen Botschaft an den Taxifahrer was dieser zu tun hätte, rasten wir dann mit dem Bus und ohne Dolmetscherin los, durch ein völliges Gemisch aus dichtest begrünten und steilen Hügeln, ausufernder Stadt mit futuristischen Neubausatelittenstädten und fruchtbarsten Niederungen zwischen den Hügeln. Kaum angekommen rief uns ein älterer Herr ‚tagsi, tagsi‘ zu und so geschäftstüchtig er war, so rasend fuhr er, manchmal mit 120 auf der 60er-Strecke. Und überholte links und rechts, wie es gerade passte. Und brachte uns sicher an unseren neuen Schlafort. Wieder eine Oase traditioneller koreanischer Kultur, diesmal sogar im eigenen strohgedeckten Häuslein. Mit Zickaden rundherum, einem Bambusheim mit 8 Meter langen Gräsern und unendlich viel Lachen. Denn die Gastgeberin erzählt mir alles über ihren fermentierte Tee und das Buchweizenfeld und ihr Seminarhaus und traditionelle Zahlensymbolik im Giebelbalkenfeld und dass ‚Mücke‘ auf koreanisch ‚muggi‘ heisse. Das ist übrigens das einzige Wort, das ich verstand. Und doch verstanden wir alles. Und deshalb mussten wir immer wieder lachen. Und gingen dann trotz muggis spazieren, entdeckten eine Tempelanlage, die gerade restauriert wird, sahen zum ersten Mal Sojabohnen und Sesam im Bauerngarten wachsen, den ersten koreanischen Stier. Und plötzlich sprach uns jemand auf Englisch an (wieder waren’s unsere Bärte), wer und woher und was und wohin. Er entpuppte sich als pensionierter Lehrer für koreanische Geschichte und war selbstverständlich im Bild über das Printing Festival in Geongju. Und konnte auch nach 3 x Nachfragen nicht verstehen, weshalb es uns ausgerechnet in dieses Kaff verschlagen hatte. Meine Frage, ob er ein Restaurant mit traditioneller Küche empfehlen könne, war ein Volltreffer. Beim zweiten war er sich sicher, dass das gut kommen könne, fragte uns, ob wir koreanisch zählen könnten und ob wir koreanisches Geld hätten. Als beides geklärt war, war er schon fort und dafür bald die Wirtin mit einem 9-teilige Essen. Und einer Flasche Makgeolli, dem trüben koreanische Reiswein, der den Geist aber gar nicht trübt. Und am Ende konnte es die Wirtin nicht fassen, dass die Suisas alles (!!!) ausgegessen hätten. Und lief gleich in die benachbarte Sesamölmühle, um es zu erzählen, und bald sass die halbe Strasse zusammen und feierte die Gelegenheit mit Bier, dass die Suisas alles ausgegessen hätten. Die aber kauften ohne koreanisch-Kenntnisse ihre erste Flasche Pflaumenwein, und feierte ihre erste Tag in diesem immer neu erstaunenden Land, in dessen Niemandsland sie nun angekommen sind. Und doch mitten drin sind. Lachen ist postverbal und universal !

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