Heute geht das Blogschreiben viel leichter: Wir haben rausgefunden, wie wir auf der Koreanischen Tastatur des Hotelcomputers wenigstens den Text schreiben können (leider ohne deutsche Umlaute, das werden wir später noch ändern.
Der Tag heute war die völlige Steigerung jeglicher Gefühls-Wechsebädern. Der Taifun ist also schneller weggezogen und weiter östlich als vorausgesagt. In unserer Stadt hat er, was wir sehen können, kaum Schäden hinterlassen. Und das Wetter klart schneller auf, so dass plötzlich beschlossen wurde, die Zeltstadt vor der Kulturhalle und um den Tempel neben dem Museum schon heute aufzubauen. Wir also statt Tempelführung nichts wie hin. Als wir da ankamen, waren Handwerker und Schreiner und Maler daran, reihenweise Zelte aufzustellen, mit koreanischen Ziegeldächlein als Vorbau. Nur der europäische Ort bekam einen griechischen Säulenarchitrav vorgebaut.
Darauf konnten wir endlich auch unsere Kiste im Museum anschauen. Das liess uns schlimmes fürchten: es fehlten die Schrauben der Hauptverstrebung, die Kiste dadurch verzogen, der Deckel nicht mehr recht zugeschraubt, und vor allem lag unser Stopf- und Polstermaterial neben der Kiste.
Dann kamen zum Glück unser junger Übersetzer, der perfekt Englisch spricht und sehr praktisch und westlich einfach veranlagt zu sein scheint. Er nennt sich Rayan und verschweigt seinen koreanischen Namen. Auch will er nach New Zeeland oder Oesterreich auswandern. Seine Hilfe ein Segen. Und dann kam Herr Guggenheimer. Er ist Präsident von PEN Schweiz und weilte auch gerade in Korea anlässlich des Weltkongresses von PEN International. Und er wollte uns kennenlernen. Und wenn man dafür in der Schweiz keine Zeit hat, dann halt in Cheongju. Die Begegnung und seine Fragen und der gedankliche Austausch waren hocherspriesslich und liessen uns die Sorgen, dass wir heute eigentlich unsere Werkstatt quasi aus dem Boden stampfen sollten, unter leicht erschwerten Verhältnissen, etwas vergessen.
Kurz vor Mittag waren die Zelte dann soweit fertig und es brauchte fast eine Stunde verzweifelte Übersetzung (unser Dolmetscher war grad weg), bis wir anmelden konnten, was unser Tagesziel sei (nämlich die Box vom Museum ins Zelt vor dem Tempel hoch und noch die bestellte Glasvitrine für die Prachtseinbände vor Ort zu haben). Dann wurden wir in den verfrühten Mittag abkommandiert. Als wir zurückkamen, war weiteres Warten angesagt, bis dann ein Riesengabelstapler anzutuckern kam, der aber so gross war, dass er gar nicht auf die Zugangswege zur Seitentüre, wo unsere Box lagerte, passte. Er also zurück, wir weiter warten. Dann kam ein kleinerer und wir zogen in halbfeierlicher Prozession zum Zelt hoch. Herr Guggenheimer meinte, fast so feierlich wie damals das Volk Israel mit der Bundeslade. Das Öffnen ging dann einigermassen schnell und wir sahen noch schneller, dass der koreanische Zoll die ganze Kiste total gefilzt hatte. Jeder Beutel mit Stopfmaterial war aufgeschlitzt und der Inhalt einfach in die Kiste gekippt. Beschädigt war aber nichts, und fehlen taten nur meine weissen Putzlappen für die Reinigung der Presse. Das erklärte auch die seltsame Zoll-Frage vor einer Woche – die hielten die zerschlissenen Leintuecher etc. für irgendwelche Designerklamotten oder Priestergewänder oder weiss der Geier was. Nun, mit dem Verlust können wir leben. Das Museum kommt die Zoll-Aktion auf einen 4stelligen Betrag zu stehen.
Dann kam die Gasflasche für den Bleischmelzofen. Sie war aber fast leer . . . Und hatte ein koreanisches 3/4 Zoll Innengewinde. Und kein Druckreduzierventil. Nicht mit unserem Anschluss kompatibel. Aber Hans-Ueli hat wohlweislich Brieden und Messer und Schraubenzieher mitgenommen. Wir packten also aus, was ging und die Werkstatt nimmt langsam Form an.
Dann war es 16 Uhr, ab zur offiziellen Museumseröffnung. Oberbürgermeister, Rösslispiel des Museums, Blumendeko für alle – ausser für uns, Banderole durchschneiden (alle mit weissen Handschuhen), Fototermin auf der Treppe, dann ab zur Ausstellungsbesichtigung. Aber wir wollten doch noch offiziell, wie abgemacht, unser Bergkristall-Ehrenexemplar des Jikji dem Museum übergeben. Und offiziell begrüsst wie sämtliche alle andern (inkl. alle koreanischen Handwerker) wurden die Suisas auch nicht. Wir blieben aus Protest vor dem Museum und verlangten eine Erklärung. Die folgenden Szenen von Gesichtswahrung verstanden wir nicht alle. Aber die wechselnden Gesichtsfarben rot und weiss erinnerten uns plötzlich an unsere Landesfahne. Man weiss hier einfach nie, was Fehler und was Absicht ist. Als Wessi bleibst du da aussen vor. Es wurde uns aber verheissen, wir dürften das Buch dann irgrndwann morgen an unserem Stand übergeben. Was wir verweigerten. So leicht lässt sich Parnassia nicht als Hampelmannschaft abservieren. Schliesslich war der Kompromiss, dass wir das versäumte beim anschliessenden Apero nachholen durften. Aber erst, als die Mikrophone schon abgeschaltet und das Fernsehen weg war. Dafür direkt dem kurz anwesenden, sehr kranken Museumsdirektor höchstpersönlich, der sich sehr gerührt zeigte und dem Buch einen Ehrenplatz versprach. Nun das Buffet war dann ausserst gediegen und reichlich und diente als Abendessenersatz. Übrigens ist des den Direktorinnen von Gutenbergmuseum und Plantin-Moretus-Museum noch viel schlimmer ergangen. Die hatten nämlich die Säcke mit den offiziellen Geschenken einem der Museumskuratoren anvertraut und der ruckte die erst raus, als gar niemand mehr da war. Oberpeinlich.
Die kleinere Hälfte der Gruppe wollte dann ins Hotel, aber die Mehrheit entschied sich fur das offizielle Eröffnungsabendprogramm. Das fand in der riesigen Kulturhalle statt und entpuppte sich als fast zweistündiges spätromantisches Orchesterkonzert von Puccini bis Mussorgsky. Musik auf allerhöchsten Niveau, von einer orchestralen Farbpallette und Nuanciertheit, dass einem alle paar Augenblicke schauderte, so schön. Da muss Lucerne Festival mit Abadao (kürzlich gehört) aufpassen, bei dieser asiatischen Qualität. Übrigens sassen wir in der Ehrengastreihe, fast neben dem Oberbürgermeister, der übrigens im traditionellen koreanischen Festgewand erschien. Nachher wurden wir zwei Parnasser blitzschnell nach draussen befördert, mit weissen Glacehandschuhen ausgerüstet und als einzige Europäer in die Reihe der Ehrengaste gestellt, vor etwas, das wie ein Atombombensprengknopf aussah. Auf ein nicht verstandenes Kommando musste man da drucken und entzündrte damit zwei Dinge: das Festfeuerwerk, wunderprächtig. Und 1377 Laternen, die um den Platz und zum Museum hin den ganzen Tag über aufgehängt wurden. 1377 für das Jahr, in dem das Jikji-Buch hier gedruckt wurde. Auf die Laternen schrieben übrigens die Stadtbewohner ihre Wünsche für die Zukunft.
Die Stadt Gheongju lässt sich das 5tägige Festival übrigens über 500’000’000 Won kosten. Fast eine halbe Million Dollar.