Der heutige Blog kommt etwas später. Denn:
Die Finger waren schon fast auf der Tastatur, um zu schreiben, dass unsere Aventure Jikji sich langsam dem Ende naähert und dass wir bislang von aller Reiseunbill wie verlorene Koffer, falsch gewählte Metro-Richtung und Fahrt ins (koreanisch angeschriebene) Nirgendwo oder Lebensmittelunverträglichkeit und Darmgrimmen verschont geblieben wurden.
Doch so frevlerisch überhebliche Gedanken werden subito abgestraft.
Denn es kam ganz anders.
Ich (Stephan) verspürte schon am Nachmittag bei schwül-heissem Wetter ein saures Aufstossen. Na ja, vielleicht waren die Glasnudel-Wurst-Häppchen am Mittag schuld. Oder eine Bombe zuviel. Das Grimmen wurde beim ausgezeichneten koreanischen Nachtessen (siehe unten) immer schlimmer. Die 6 Km lange Rückfahrt ins Hotel eine einzige Konzentrationsübung auf den kühlen Fahrtwind und ein Non-Stop-Stossgebet ‚Lass mich durchhalten‘. Was grad noch bis ins Hotelzimmer ging. Dann kam es. Ganz anders. Nur zu den Ohren kam nichts raus. Das heraklitsche ‚Panta rhei‘ / ‚Alles ist in Fluss‘ in ganz neuer Lesart. Nur etwas floss nicht. Nämlich das sanitäre Teil, dessen Name eben seine eigentliche Funktion bezeichnet sollte: der Abfluss. Armer Zimmerservice. Und armer Sanitar: er hat die zwei dicken Abflussrohre von Toilette und Lavabo zusammen auf ein dünnes, aufwärtsgekrümmtes Abflussrohr geführt. Das kann nicht gut gehen. Das schwierigste an der ganzen Nacht-Übung wae übrigens, den Frühstückskellner zu überzeugen, dass ich wirklich nur eine Cola und einen Tsa, den dunkelsten Grüntee (Schwarztee gibt’s hier sowieso keinen), haben will. Wird schon wieder.
Doch wenden wir uns den schönen Seiten des Lebens zu.
Der Samstag war wirklich Familientag. Anders als sonst war der Morgen noch ruhiger, dafür strömten die sehr zahlreichen Menschen dann den ganzen restlichen Tag durchs Festival, auch an unseren Stand. Wir hatten zum Teil etwas mehr Zeit für kurze Gesprache. Unter anderem mit einem Journalisten von Jesong Post. Jesong ist die Stadt, die etwas weiter südlich von Cheongju entstehen soll, eine reine Regierungsverwaltungsstadt, weil es in Seoul keinen Platz für die Vergrösserung der Staatsverwaltung mehr gibt. Eine Tageszeitung hat Jesong also schon. In der Dienstagsausgabe wird ein Artikel über uns erscheinen. Und etwas spater hat der Herr uns 1 Kilo feinster Marroni, die sein Bruder anbaut, gebracht. Leider haben wir in unserem Reiseprogramm keine Zeit zum Marronibraten eingeplant und unser Übersetzer nahm sie glücklich mit nach Hause. Und dann kamen noch zwei Herren zu uns an den Stand. Waren perlex und völlig aus den Socken, weil sie im Vorfeld nichts von uns gehört hatten. Und dank eines Youtube-Filmchens auf dem Handy verstanden wir sofort, dass das unsere koreanischen Berufskollegen sind, die als letzte eine Druckerei betreiben, allerdings mit chinesischem und koreanischen Bleisatz. Das ist dann noch eine andere Sache als wir mit unseren paar mikrigen Buchstäbelchen. Giessen tun sie die tausenden (genau 2350) von koreanischen Silbenkombinationen auch selber. Sie verliessen dann den Stand und versprachen zurückzukommen. Was sie bald auch taten. Zwei wohltuend Verrückte, der Chef und sein Angestellter: sie überreichten uns einen hochgediegenen Gedichtband in Kassette, auf koreanisches Papier gedruckt, schlichteste Typorgrafie, viel Nichts um den Satz herum. Und dann überreichten sie uns noch eine selber gravierte und gegossene grosse Letter. Darauf ist in 104 mikrokleinen koreanischen Buchstaben die ganze koreanische Nationalhymne. Die Giessform dazu haben sie selber graviert. Nach langem und herzlichem Gespräch unter Berufskollegen war es selbstverständlich, dass sie uns zum Nachtessen einluden. Doch davor hatten wir noch einige hundert Familien am Stand zu „absolvieren“. Alle interessiert, fröhlich, wohltuend. Ein kleiner Junge (siehe Bild) brachte uns als Dankeschön für eine Schildkrötchen-Letter drei Packlein seiner bärenformigen Madeleine-Bisquits ‚Sous le ciel de Paris‘.
Beim Vier-Uhr-Päuschen erfuhren wir per excusé den wirklichen Grund der Zoll-Scherereien. Nein, nicht Kleider, nicht Papier. Weisses Pulver. Ah, der Puder, damit man sich die Hände voll Druckertinte kurz abpudern kann, bevor man Papier greift. Und die unendlich hohen Zollgebühren wahrscheinlich nichts anderes als die Laboranalysekosten. Resultat null. Reiner Johnsons Baby Powder. In jedem koreanischen Laden erhältlich.
Und dann war der heiss-feuchte Tag vorüber. Die Handwerkmeister sassen mit uns noch eine Feierabendrunde zusammen. Eine Frau brachte Kaffee. Und der Giessmeister für jeden von uns einen wunderprächtigen Giessbaum mit echt koreanischen Lettern. Und der Buchbindemeister seine „Guetzlipress-Form“, weil ich einmal nach einer solchen gefragt habe, wo die zu kaufen wäre. Eine echte Theoksal. Und es die nur in Seoul auf einem bestimmten Markt gibt. Und wir da nicht mehr hinkommen. In Vättis wird es also dieses Jahr koreanische Reismehl-Honig-Guetzli und Züri-Leckerli mit koreanischen Reliefmustern geben. Auf einem Modell steht das Zeichen fur Glück. In Korea isst man das Glück.
Und dann schnell auf zu diesem Luxusrestaurant. Die Gäste sind da jeweils in einem abgetrennten Räumlein. Und aus verständnisvollem Mitleid hat man für uns das Räumlein ausgewählt, wo es unter dem Tisch eine Absenkung gab, so dass man zwar am Boden sass, und gleichwohl europäsch sitzen konnte. Und dann wurde aufgetischt. Und wie.
Und über die Drucker- und Verlegerkunst philosophiert. Herrlich. Wohltuend. Die Grundprobleme und Herausforderungen eines solchen Betriebes scheinen in Korea und der Schweiz erstauntlich ähnlich.
Und den restlichen Verlauf des Abends und der Nacht kennt ihr ja schon.